Der deutsche Arbeitsmarkt hat nach wie vor mit ungleichen Vergütungsstrukturen zu kämpfen, denn immer noch beziehen Frauen häufig ein geringeres Einkommen als ihre männlichen Kollegen in gleicher Position. Erst im letzten Jahr konnten wir eine bereinigte Entgeltlücke von 5,2 Prozent zu Ungunsten der Frauen feststellen.
Um dem entgegen zu wirken, gilt seit dem 6. Januar 2018 das Entgelttransparenzgesetz. Am 16. April hat dieses 100-tägiges Bestehen gefeiert. Um eine erste Bilanz zu ziehen, haben wir in einer Kooperation mit unseren Kolleginnen und Kollegen von GEHALT.de untersucht, wie Arbeitgeber und -nehmer das Gesetz seitdem wahrnehmen beziehungsweise wie sie darauf reagieren.
Kurz gesagt: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten das Recht zu erfahren, wie hoch die Gehälter ihrer Kollegen sind – natürlich anonym. Seit dem 6. Januar 2018 können sie ihr Gehalt mit einer Gruppe von mindestens sechs Beschäftigten in ähnlichen Positionen firmenintern vergleichen lassen. Dies führt in der Regel die Personalabteilung durch. Allerdings findet das Gesetz nur Anwendung in Unternehmen, in denen mindestens 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind.
Laut unserer Auswertung sind über die Hälfte der Arbeitgeber nicht auf das neue Gesetz vorbereitet und nur sechs Prozent planen, zukünftig bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings wissen fast alle (97 Prozent) der Unternehmen von dem neuen Gesetz und 95 Prozent auch um dessen genauen Inhalt. Zudem haben gerade einmal 30 Prozent ihre Beschäftigten darüber informiert und nicht einmal die Hälfte der Unternehmen (42 Prozent) Ressourcen für die Bearbeitung von möglichen Auskunftsersuchen eingeplant. Doch nutzen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Gesetz überhaupt?
100 Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes haben zwei Prozent der Befragten ein individuelles Auskunftsersuchen beantragt. Allerdings antworteten auf die Frage, ob sie von ihrem neuen Recht zukünftig Gebrauch machen oder es sich perspektivisch vorstellen können, 33 Prozent mit „Ja“. 40 Prozent der Befragten waren sich hingegen unsicher und weitere 28 Prozent haben an einem Antrag kein Interesse.
Arbeitgeber sind laut der Ergebnisse der Umfrage äußerst pessimistisch: Mit über 73 Prozent der Stimmen bezweifeln die meisten Unternehmensvertreter, dass das Entgelttransparenzgesetz die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen signifikant reduzieren wird.
Unter den Beschäftigten ist die Stimmung nicht sonderlich anders: 24 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarten, dass das Entgelttransparenzgesetz dabei helfen wird, der Entgeltlücke entgegen zu wirken. Fast 40 Prozent glauben nicht, dass sich durch das politische Einschreiten etwas ändern wird.
Sicher ist, dass eine gewisse Mehrarbeit auf die betroffenen Personalabteilungen zukommen wird. Für den Arbeitgeber ist es damit wichtig, proaktiv zu handeln. Unternehmen, die sich dem Thema annehmen und aktiv für gerechte Vergütungsstrukturen Sorge tragen, können sich sogar einen Marktvorteil verschaffen. Dies trifft vor allem bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeitern zu. Besonders in Hinblick auf den aktuellen Fachkräftemangel ist dies wichtiger denn je.
An der Umfrage von GEHALT.de und Compensation Partner haben sich insgesamt 319 Unternehmen und 1.800 Beschäftigte beteiligt. Am stärksten vertreten waren die IT- und die Metallbranche.
Die vollständigen Ergebnisse unserer Umfrage finden Sie hier.
Wissen Sie, wie Ihr Unternehmen mit dem Entgelttransparenzgesetz verfahren kann? In Kooperation mit dem Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (BMFSJF) haben wir das Online Portal „Monitor Entgelttransparenz“ entwickelt. Der Monitor Entgelttransparenz ist eine Software, mit der Unternehmen die Anforderungen des Entgelttransparenzgesetzes erfüllen können