Die COVID-19-Pandemie geht mit großen wirtschaftlichen Einschnitten für alle Unternehmen einher, was sich auch bei der Lohnentwicklung bemerkbar machen wird. Aufgrund der Einmaligkeit der Situation gestaltet sich eine exakte Prognose schwer: Wir wagen dennoch eine erste Vorhersage für die deutsche Gesamtwirtschaft und acht ausgewählte Berufsgruppen. Hierzu stützen wir uns nicht nur auf unsere Gehaltsdatenbank mit knapp 2,6 Millionen Datensätzen, sondern haben auch weitere Einflussfaktoren wie Qualifikationsanforderungen, Tarifabdeckung, Medienpräsenz sowie allgemeine Trends des Arbeitsmarkts berücksichtigt. Zudem dienen uns Erkenntnisse aus der Finanzkrise 2008 als Orientierungspunkt.
Zwar waren wir zu Beginn des Jahres noch von einem Lohnwachstum in Höhe von 2,9 Prozent ausgegangen, hier müssen nun jedoch erhebliche Einschnitte gemacht werden. Deren Ausmaß bewegt sich allerdings in einem vergleichsweise moderaten Rahmen. Wir prognostizieren einen insgesamten Zuwachs des Nominallohns in Höhe von 1,6 Prozent.
Zwar führt die Coronakrise durchaus zu einer berufsübergreifenden Dämpfung der Lohnsteigerungsraten, allerdings wurden Gehaltsentscheidungen für das aktuelle Jahr in den meisten Fällen bereits vor dem Ausbruch der Pandemie festgesetzt. Dadurch seien die Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs nicht unmittelbar und in voller Kraft spürbar, so Dr. Philip Bierbach, Geschäftsführer von Compensation Partner. Vor allem im ersten Halbjahr konnten wir nahezu unveränderte Gehaltszuwächse beobachten, während in der zweiten Jahreshälfte ein deutlicher Abwärtstrend zu vermuten ist.
Anders sieht es im nächsten Jahr aus: Hier zeigen sich die Effekte der Coronakrise in ganzer Stärke. Stand jetzt gehen unsere Gehaltsexpert*innen davon aus, dass der Nominallohn im Jahr 2021 um lediglich 0,3 ansteigen wird, da Unternehmen aller Branchen ihrem sinkenden Personalbudget Rechnung tragen müssen. Zum Vergleich: Zwischen 2009 und 2019 lag die gesamtwirtschaftliche Lohnsteigerungsrate laut Destatis bei durchschnittlich 2,57 Prozent.
Damit bestehen große Ähnlichkeiten zum Jahr 2008; damals stieg der deutschlandweite Nominallohn im Zuge der Finanzkrise um 0,2 Prozent. Dennoch besteht laut Bierbach Grund für Optimismus:
Wir gehen derzeit davon aus, dass wir im Hinblick auf Investitionen und Gehaltsentwicklung besser aus der Krise herauskommen können, da es sich bei der Pandemie um eine exogene Krise handelt, aber um keine Systemkrise.
2009 - 2019 | 2020 (Prognose) | 2021 (Prognose) | |
Lohnsteigerungsrate | 2,57% | 1,60% | 0,30% |
Obwohl ein ökonomischer Abschwung alle Wirtschaftszweige betrifft, sind hiervon nicht alle Berufsgruppen gleichermaßen betroffen. Besonders im Hinblick auf einige systemrelevante Berufe können wir davon ausgehen, dass die Coronakrise nur gemäßigte negative Folgen nach sich ziehen wird. Das gilt etwa für Erzieher*innen: Diese können 2020 ein Bruttojahresgehalt in Höhe von etwa 37.100 Euro erwarten – das entspräche einer Lohnsteigerung von 2,0 Prozent. Im nächsten Jahr prognostizieren wir dann einen etwas geringeren Zuwachs um 1,2 Prozent auf circa 37.500 Euro. Ähnliches gilt für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Seniorenheimen: Hier sagen unsere Experten eine Lohnsteigerung von 3,1 Prozent (2020) bzw. 2,1 Prozent (2021) für Krankenpfleger*innen voraus. Bei Altenpfleger*innen wird dieser Wert bei 2,6 Prozent (2020) bzw. 1,9 Prozent (2021) liegen.
Diese Entwicklung lässt sich durch eine hohe Tarifabdeckung erklären – viele Pfleger*innen und Erzieher*innen arbeiten in Einrichtungen, welche von öffentlichen Trägern verwaltet werden. Hinzu kommen gestiegene gesellschaftliche Anerkennung sowie öffentliche Forderungen nach Gehaltserhöhungen. Dennoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Löhne für systemrelevante Berufe nach wie vor auf einem vergleichsweise geringen Niveau bewegen. Die für das Jahr 2021 prognostizierten Gehälter in der Krankenpflege (ca. 39.700 Euro) und Altenpflege (ca. 33.800 Euro) lägen weiterhin unter dem Medianeinkommen für Fachkräfte (ca. 41.400 Euro). Zudem spielen auch berufliche Eintrittsbarrieren eine Rolle: Kassierer*innen können aufgrund geringerer Ausbildungsanforderungen trotz Systemrelevanz nur mit einem Plus von 1,7 Prozent (2020) bzw. 0,7 Prozent (2021) rechnen.
Anders verhält es sich es sich bei Berufen der freien Wirtschaft – hier wird die schwache konjunkturelle Lage deutlich sichtbar. Exemplarisch hierfür können Marketing-Manager*innen betrachtet werden: Für diese Berufsgruppe erwarten wir im aktuellen Jahr ein Lohnplus in Höhe von 1,1 Prozent. 2021 stehen die Chancen sogar noch schlechter: Unsere Gehaltsexpert*innen prognostizieren dann eine Lohnsteigerungsrate von lediglich 0,1 Prozent. Das Bruttojahreseinkommen im Median wird danach etwa 45.300 Euro betragen.
Ähnliche Wachstumsraten sind für die Automobilindustrie zu konstatieren: Nicht nur zeitweise stillgelegte Produktionswerke sowie ein nachlassender Export von Neuwagen machen Autobauern zu schaffen, auch die Entscheidung der Bundesregierung gegen eine Kaufprämie in Krisenzeiten fällt zusätzlich ins Gewicht. KFZ-Mechatroniker*innen etwa werden 2020 circa 1,3 Prozent mehr verdienen als im Vorjahr. Für 2021 erwarten wir einen minimalen Zuwachs von 0,1 Prozent auf ungefähr 33.000 Euro.
Noch schlimmer trifft es die Tourismusbranche. Strikte Reisebeschränkungen führten nicht nur zu geschlossenen Reisebüros und Hotels, sondern hatten für viele Beschäftigte auch Kurzarbeit zur Folge. Unsere Experten rechnen für Tourismuskaufleute mit einer durchschnittlichen Lohnerhöhung von 0,9 Prozent im Jahr 2020, während es im darauffolgenden Jahr gar zu einer kompletten Stagnation kommt. Der mittlere Jahresverdienst wird dann bei etwa 31.200 Euro liegen.
Eine Besonderheit stellt der IT-Sektor dar: Zwar macht sich auch hier die wirtschaftliche Gesamtsituation durchaus bemerkbar. Indessen besteht in der Branche weiterhin eine immense Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften. Softwareentwickler*innen können sich deswegen auf einen Lohnzuwachs in Höhe von 1,7 Prozent (2020) bzw. 1,3 Prozent (2021) freuen. Dieser Wert ist geringer als in Zeiten vor der Coronakrise, doch liegt immer noch über dem gesamtwirtschaftlichen Median. Mit einem hieraus resultierenden Jahressalär in Höhe von etwa 57.600 Euro brutto wird diese Berufsgruppe daher auch 2021 finanziell gut aufgestellt sein.
Beruf | 2020 | 2021 |
Krankenpfleger*in | 3,1 | 2,1 |
Erzieher*in | 2 | 1,2 |
Altenpfleger*in | 2,6 | 1,9 |
Kassierer*in | 1,7 | 0,7 |
Beruf | 2020 | 2021 | 2022 |
Krankenpfleger*in | 38.554 € | 39.749 € | 40.584 € |
Erzieher*in | 36.325 € | 37.052 € | 37.496 € |
Altenpfleger*in | 32.932 € | 33.788 € | 34.430 € |
Kassierer*in | 27.318 € | 28.028 € | 28.224 € |
Lohnsteigerungen und deren Ausmaß lassen sich auf drei große Faktoren zurückführen: Wirtschaftswachstum, Inflation bzw. Inflationsausgleich sowie Veränderungen im zahlenmäßigen Verhältnis von Arbeitseinkommen zu Kapitaleinkommen. Daher sind sie stark von konjunkturellen Schwankungen abhängig und können in Zeiten einer Rezession massiv abnehmen. Trotz alledem können Nominallöhne in der Praxis schlimmstenfalls stagnieren, denn Gehälter resultieren aus Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Damit es zu einem Lohnrückgang kommt, müssten Beschäftigte eine Zusage hierzu somit vertraglich fixieren – dieser Fall tritt nahezu niemals ein. Unternehmen greifen stattdessen auf Kurzarbeit oder Entlassungen zurück, wenn Personalkosten gesenkt werden müssen.
Dennoch ist es nicht unmöglich, dass es zu faktischen Lohnkürzungen kommt, wenn erfolgsabhängige Boni oder Sonderzahlungen wie das 13. Monatsgehalt als Teil der Vergütung vereinbart sind. Wir gehen für 2020 davon aus, dass ein Großteil aller Unternehmen diese nur partiell oder gar nicht auszahlen wird.
Unsere Gehaltsexpert*innen erwarten, dass die Coronakrise große Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung haben wird. Während für das aktuelle Jahr aufgrund präexistenter Gehaltsvereinbarungen ein gemäßigte Abschwächung der Lohnsteigerungsrate auf 1,6 Prozent zu verzeichnen ist, werden die Folgen der COVID-19-Pandemie im Folgejahr vollständig zu spüren sein: Für 2021 prognostizieren wir eine minimale Nominallohnsteigerung in Höhe von nur 0,3 Prozent, was nahezu einer kompletten Stagnation gleichkommt.
Während Berufe mit hoher Systemrelevanz und Tarifabdeckung vergleichsweise glimpflich durch die Krise kommen, werden Tätigkeiten mit höherer Konjunkturabhängigkeit deutliche Abstriche machen müssen. Um dem wirtschaftlichen Negativtrend entgegenzusteuern und dessen Folgen für Unternehmen und Beschäftigte abzudämpfen, hat die Politik bereits erste Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet. Dr. Philip Bierbach, Geschäftsführer von Gehalt.de, blickt daher zuversichtlich in die Zukunft:
Mich persönlich stimmt es optimistisch, dass das umfassende Konjunkturpaket der Bundesregierung in Wirtschaft und Gesellschaft für viele positive Reaktionen gesorgt hat. Das macht Hoffnung.